Einsatzstellenbericht IBZ St. Marienthal Sept. - Nov. 2016

Seit drei Monaten arbeite ich nun tatsächlich schon im Internationalen Begegnungszentrum St.Marienthal in Ostritz, im Büro mit meinem Mentor Georg, direkt an der Neiße. Die Zeit verging rückblickend betrachtet unglaublich schnell, ich kann es eigentlich gar nicht glauben, dass schon ein Viertel der Zeit meines FSJ verstrichen ist.

Ich vor dem Kloster St.Marienthal

Die Arbeit in der Einsatzstelle ist sehr abwechslungsreich. Die ersten Wochen, bis Ende Oktober waren sehr ruhig, da erst zum am 23. Oktober das erste Seminar stattfand. Dieses stellt gleich einen Höhepunkt dar: ca. 70 junge Menschen aus ganz Europa (Schweden, Lettland, Litauen, Deutschland, Polen, Tschechische Republik, Italien und Bosnien-Herzegowina; eigentlich war sogar noch eine britische Gruppe eingeplant) trafen sich, um acht Tage lang im IBZ zum Thema „Interreligiöser Dialog in Europa“ zu arbeiten, aber auch zu Singen, Tanzen usw. Ich verstand mich auf Anhieb mit 97% der TeilnehmerInnen und LehrerInnen und erlebte damit auch persönlich meine erste internationale Jugendbegegnung. Die Woche war zwar wirklich stressig, da ich für die organisatorische sowie  inhaltliche Unterstützung und die Dokumentation verantwortlich war, aber voll von unglaublich vielen Erfahrungen, Gesprächen, Begegnungen und Erlebnissen, das alles zu beschreiben würde hier den Rahmen sprengen. Zwei Wochen später fand eine weitere europaweite Jugendbegegnung statt, diese unter dem Titel „Von Kohle und Stahl zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik“. Bei diesem Treffen waren ca. 50 Teilnehmende aus den gleichen Ländern, exklusive Italien, Litauen und Großbritannien, beteiligt. Auch hier lag meine Aufgabe in der organisatorischen und inhaltlichen Unterstützung, wie auch der Dokumentation der Veranstaltung. Auch sonst traf ich viele andere Jugendliche aus anderen Ländern Europas oder Ecken Deutschlands in meinen ersten drei Monaten, beispielsweise bei europapolitischen Seminaren.

Weiterhin durfte ich auf zwei Dienstreisen viele weitere hochinteressante Leute kennenlernen. Zur Ersten ging es mit meinem Mentor zu einer Fachtagung der AKSB (Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke) nach Ludwigshafen, bei der Zweiten solo zu einer Projektwerkstatt zum Thema „Flucht, Asyl und Migration in Europa“ in die Nähe von Hannover. Beide Male lernte ich viele VertreterInnen von Bildungshäusern, aber auch andere Freiwilligendienstleistende, bspw. aus Berlin, kennen. All dies war ebenfalls sehr interessant. Das Ganze kulminierte dann praktisch in der im IBZ stattfindenden Jahrestagung der AKSB mit vielen Gästen aus ganz Deutschland. Diese Dienstreisen waren deswegen so interessant, weil u.a. eine für diese Bildungshäuser tätige Lobbyistin, Judith Windschreiber, intern aus erster Hand vom politischen Betrieb in EU-Parlament, Kommission usw. berichtete, auch im Hinblick auf Brexitvotum und die Krise der Europäischen Union. Ebenfalls kennenlernen durfte ich im Rahmen der Jahrestagung den umstrittenen Professor Werner Patzelt von der TU Dresden, aber auch einen Philosophiestudenten aus Oxford, welcher  einem paneuropäischen Thinktank angehört. Insgesamt habe ich in diesen ersten drei Monaten so viele verschiedene Leute kennengelernt, tolle SchülerInnen (Förderschule, Realschule, Gymnasium), andere Freiwillige, Gelehrte des Islam, Buddhismus, Hinduismus, Judentums, Studierende, Referierende,…, mit denen ich mich nahezu immer sehr gut verstanden habe. Ich tauschte Kontaktdaten aus, wurde für Praktika, Seminare oder zum Urlaub nach Bosnien eingeladen oder auch einfach privat von den verschiedensten Personen kontaktiert. Für mich war und ist dies eine Phase des Aufsaugens. Getreu zu Nietzsche: Das man wird, was man ist, setzt voraus, dass man nicht im Entferntesten ahnt, was man ist. Ein wesentlicher Grund für meine Bewerbung war ja, mich beruflich bzw. auf den Studiengang hin zu orientieren. Dahingehend habe ich sehr viele Eindrücke, Vorschläge und auch viel positives Feedback erhalten. All das ist einfach wunderbar und macht mich glücklich. Ich hatte nicht erwartet, hier in St.Marienthal derart vielen interessanten und tollen Menschen zu begegnen.

Entstanden bei einer internationalen Jugendbegegnung mit Teilnehmenden aus ganz Europa (von Italien über Litauen bis Schweden). Ich im schwarzen Pulli

Den Büroalltag habe ich natürlich auch erlebt. Dieser bestand in den ersten Monaten in der unterstützenden Tätigkeit für meinen Mentor. TeilnehmerInnenlisten, Sachberichte, E-Mail-Verkehr, Telefonate, Empfang von Besuchergruppen, Recherche, Gestaltung von Broschüren, Flyern und Roll-ups, Seminarkonzeption, logistische Unterstützung, Seminardokumentation (inklusive Erstellen eines Filmes) gehören zu meinem Aufgabenbereich. Insgesamt also doch ein breites Spektrum. Positiv ist auch, dass ich nicht die üblichen Praktikantenarbeiten zu erledigen habe. Vor zwei Wochen habe ich gelernt, dass unser Drucker auch mehrere Blätter hintereinander einlesen und dann kopieren kann, sodass man nicht jedes Blatt einzeln einlegen muss. Diese Woche wirkte ich zum ersten Mal als Referent mit einer Gruppe von anderen FSJ’lern aus dem sozialen Bereich. Mit diesen führte ich einen Seminartag zum Thema Berufsorientierung durch. Ironisch war dabei, dass diese eigentlich zum größten Teil bereits ihren Berufswunsch hatten (und ich nicht), was ich aber erst im Nachhinein erfuhr. Vor diesem Tag war ich sehr aufgeregt und auch der Tag fing schleppend an, was an der geringen Beteiligung lag, da ich den Tag partizipativ konzipiert hatte. Im Verlaufe des Tages wurde es dann aber immer besser und schließlich saßen wir am Abend zusammen und bastelten Weihnachtsschmuck (nach Ende des Seminartages). Auch wurde ich von den TeilnehmerInnen gebeten, mehr über den Arbeitsmarkt und die dahingehend für sie möglichen Partizipationsmöglichkeiten zu berichten, weil dies für sie interessant und wichtig sei. Da dies eigentlich nicht mein Thema war, blieb ich also am Abend im IBZ. Die Anleiterin der Gruppe meinte in der Auswertung zu mir, dass sie sich wünscht, dass ich im Januar nächsten Jahres mit ihrer anderen FSJ-Gruppe auch diesen Tag durchführe. Einstand also geglückt. Auch das hat mich sehr gefreut, da dies eigentlich weniger mein Themenfeld ist. Auch von den Jugendlichen kam, wie bereits erwähnt, viel positives Feedback.

Ein wenig langweilig waren teilweise die ersten Wochen im September und Oktober, da zu diesem Zeitpunkt keine Seminare oder ähnliches stattfanden. In dieser Zeit war die erste Dienstreise wirklich eine willkommene Abwechslung, ebenso wie unsere erste Seminarfahrt. Es ist einfach toll, mit so vielen anderen politisch interessierten und gebildeten jungen Erwachsenen zusammenzuarbeiten, sich auszutauschen und über dieses und jenes zu philosophieren, aber auch sich auf dem Konzert zu treffen und am Abend noch zu quatschen.

Mittlerweile merke ich auch den Unterschied zwischen Schule und Arbeiten, insbesondere die fehlenden Ferien schlagen sich, so vermute ich jedenfalls momentan, nieder. Mir unterlaufen in den letzten Wochen häufiger kleine Fehler, die dann wieder eine Menge Arbeit nach sich ziehen. Es ist noch nichts Katastrophales passiert, da ich immer sehr gewissenhaft kontrolliere, doch andererseits merke ich auch, dass meine Konzentration und Leistungsfähigkeit geringer ist als noch zu Beginn des FSJ. Verantwortlich dafür könnten auch die gut 50 Überstunden sein, die ich bisher geleistet, aber noch nicht komplett abgegolten habe. Letztlich ärgere ich mich aber einfach über mich selbst, wenn ich solche Fehler mache und vorher getane Arbeitsschritte wiederholen oder korrigieren muss. Eine sehr lästige Arbeit ist für mich das Schreiben von Sachberichten. Vor einer Woche habe ich den ersten Sachbericht für ein Erasmus+ gefördertes Seminar abgeschlossen, dieser umfasst 31 Seiten, eine Broschüre in deutscher und englischer Sprache, das Auswerten von 120 Seiten Umfragematerial sowie einen Dokumentationsfilm in englischer Sprache. Für einen weiteren ist nun immerhin der Text fertig. Diese Aufgabe finde ich deswegen so lästig, weil jedes Mal ca.50% des Textes praktisch nur die Wiederholung des Antrages im Präteritum darstellen. Dahingehend ist es für mich jedes Mal eine Herausforderung, mich zum Schreiben dieser Berichte zu motivieren. Ein weiteres Problem stellt für mich auch das Niveau der Aufgabenbewältigung dar. Nicht in dem Sinne, dass meine Aufgaben zu anspruchsvoll sind, sondern dahingehend, dass ich oft nicht einschätzen kann, in welchem Umfang und auf welchem Niveau das Ganze zu erledigen ist. Ein Beispiel ist der Dokumentarfilm. Dieser ist mittlerweile 18 min. lang und besteht quasi nur aus aneinandergereihten Videosequenzen mit Untertiteln, dennoch habe ich zur Produktion mindestens 15h an Zeit aufgewendet, weil ich über 40 Stunden Filmmaterial durchzusehen hatte und mir auch viel Arbeit mit der Stimmigkeit der Szenen gab. Auch bei den Sachberichten tritt dieses Problem auf. Mir ist klar, dass ein Erasmus+ Sachbericht ausführlicher sein sollte als einer für den KJP, trotzdem fällt mir manchmal schwer, mich dahingehend zu motivieren. Belastend wirkt auch meine Tagesstruktur. Aufgrund der Anbindung in Ostritz stehe ich am Morgen um sechs auf und bin im günstigsten Fall (wenn kein Einkaufen o.ä. ansteht) um sechs wieder in meiner WG.

Alles in allem macht mir mein FSJ bis jetzt wahnsinnig Spaß. Ich habe in diesen drei Monaten so viel erlebt und bin wirklich dankbar, hier in St.Marienthal mein FSJ Politik machen zu dürfen, auch wenn das der ein oder andere nicht verstehen mag. Ich verstehe mich super mit meinem Mentor und den anderen KollegInnen des IBZ, egal ob Kaufmännischer Leiter, Hausmeister oder Küche. Es sind wirklich sehr nette Leute, die auch die politische Diskussion suchen und mit mir da einen aktiven Gesprächspartner gefunden haben.

Für das restliche Jahr wünsche ich mir, dass ich noch ein bisschen mehr mit meinen MitbewohnerInnen zu tun habe und vielleicht auch mal die Zeit finde, den einen oder anderen Menschen aus Görlitz, den ich während des Seminars kennengelernt habe, zu treffen und allgemein noch ein wenig aktiver in der Freizeit (Sportverein,..) zu sein, doch momentan fehlt mir dazu teilweise die Kraft. Auch erhoffe ich mir, dass unsere weiteren Seminare so interessant bleiben und wir viel erleben.

Des Weiteren ist meine Hoffnung, dass ich weiterhin so viel tolle und verschiedene Menschen kennenlernen darf.

Ich kann auf jeden Fall schon jetzt konstatieren, dass meine Entscheidung für das FSJ Politik hier im IBZ definitiv richtig war. Und jetzt fahre ich zum Feine Sahne Fischfilet Konzert.

Johannes Schwab