Historymethoden - Tools für die Spurensuche
Quellen und Quellenarten
Quellen sind die Grundlage für Eure Arbeit im Jugendgeschichtsprojekt. Als Quelle gilt in der Geschichtswissenschaft alles, was uns heute über die Vergangenheit informiert. Das schließt Texte aller Art ein, aber auch Bild-, Ton- und Sachquellen sowie mündliche Überlieferungen.
Bild-, Sach- und Textquellen zu einem Thema ergänzen sich vielfältig. Es gibt aber keine einzige Quelle, die nur die eine objektive Wahrheit wiedergibt. Nur mehrere Quellen ergeben zusammen ein vollständiges Bild, das unterschiedliche Perspektiven und auch Widersprüche enthalten kann.
Bildquellen, wie Fotos oder Gemälde erlauben einen Blick in die Vergangenheit. Ihr könnt oft viel über die Gesellschaft und das Weltbild der Menschen erfahren. So verraten Familienfotos viel über das Leben der Zeit und über die Vorstellung darüber, was sich „gehört“ (Kleidung, Rolle als Frau/Mann) und was für die Menschen von Bedeutung war.
Sachquellen sind Gegenstände und Bauwerke aus der Vergangenheit. Alltagsgegenstände z. B. verraten viel: die Kleidung einer Person informiert über ihren sozialen Stand, über Herrschafts- und Besitzverhältnisse oder ihren Status in der Familie. Architektur wiederum erzählt Geschichten über Macht, über Reichtum und Geschmack, über den Wert von öffentlichem Raum usw.
Textquellen sind die am häufigsten genutzte Quellenart, so z. B. Verwaltungs- und Gerichtsakten, Parlamentssitzungsprotokolle, Tagebücher, Briefe, Zeitungsartikel, aber auch Kirchenbücher, Zivilstandregister u. v. a. sind schriftliche Quellen. Hier müsst Ihr grob zwischen Traditionsquellen (bewusst angefertigt für die Überlieferung) und Überresten (Aufzeichnungen der Zeit) unterscheiden.
Was sind historische Quellen?
Quellenkritik
In Euren Jugendgeschichtsprojekten seid Ihr historische ForscherInnen, Ihr rekonstruiert Vergangenes mit der Hilfe von Quellen. Quellen haben immer eine eigene Perspektive ihrer Zeit, sie sind geprägt von der Wahrnehmung, den Interessen und politischen Überzeugungen der AutorInnen. Und mit der Auswahl bestimmter Quellen kommt Ihr ins Spiel, Eure Interessen und Suchmuster, Eure Meinung darüber, welches Material wichtig und glaubwürdig ist. Diesen subjektiven Verzerrungen müsst Ihr Euch bewusst sein und Eure Schlüsse und Erkenntnisse einer kritischen Überprüfung unterziehen. Daher solltet Ihr auch immer mehrere Quellen nutzen und verschiedene Perspektiven einfangen.
Folgende Fragen an die Quellen können Euch als Orientierung dienen (mehr im Wissensspeicher):
- Wer hat die Quelle mit welcher möglichen Absicht hergestellt?
- In welcher Zeit ist die Quelle geschaffen worden, welche Bedingungen herrschten damals vor und
- Welche Rolle hatte der/die QuellenautorIn in dieser Gesellschaft?
- Über was und wen könnt Ihr mit der Quelle etwas erfahren?
- Über was und wen gibt die Quelle (bewusst) keine Auskunft?
- Warum ist die Quelle erstellt worden?
Oral History – Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
Eure Jugendgeschichtsprojekte werden sich häufig mit Fragen und Zeitspannen beschäftigen, bei denen die Befragung von Zeitzeugen oder Experten eine gute Möglichkeit der Informationsgewinnung darstellt. Die Erlebnisse der Bevölkerung, die Perspektive von Zeitzeugen nennt man Oral History – mündliche bzw. erinnerte Geschichte.
Was heißt Erinnern? Augenzeugenberichte als Quellen müssen immer hinterfragt werden, denn Ihr müsst stets bedenken, wie sie entstanden sind. Ein Beispiel: Versucht Euch detailliert an Euren ersten Schultag zu erinnern. Mit dieser kleinen Übung könnt Ihr sehr gut feststellen, dass Erinnerung selektiv, d. h. ausgewählt ist. Das bedeutet nicht nur Ihr, sondern jedeR erinnert sich nicht an alles was war, sondern nur an bestimmte Ausschnitte.
Jeder Mensch rekonstruiert die Vergangenheit aufgrund eigener Erinnerungen, Erzählungen anderer und bspw. Fotos. Die eigene Erinnerung verändert sich, Bedeutungen werden verschoben. Ein weiteres Phänomen der Erinnerung ist, dass man vieles vergisst. Zeitzeugenberichte sind zudem immer subjektiv, das heißt sie werden von einer bestimmten Perspektive und mit eigenen Interpretationen erzählt und Zeitzeugen berichten über ihr Verhalten aus der heutigen Sicht, verändern Bewertungen, lassen Ereignisse aus oder interpretieren ihr eigenes Tun rückwirkend um.
Es ist spannend, Zeitzeugen zu befragen, sie können Euch Informationen und Geschichten erzählen, die Ihr in keinem Text und keiner offiziellen Chronik finden werdet. Die Aussagen von Zeitzeugen haben einen hohen Erkenntniswert, aber müssen anhand der beschriebenen Effekte des Erinnerns eingeordnet werden.
Das Zeitzeugengespräch
Die Vorbereitung des Zeitzeugengesprächs
Zeitzeugengespräche solltet Ihr in der Gruppe gut vorbereiten und überlegen, welche Informationen zur Zeit und zum Forschungsgegenstand Ihr bereits gesammelt habt und zu welchen Fragen der/die ZeitzeugIn Euch seine Sichtweise mitteilen soll. Ihr müsst das Gespräch selbst organisieren (Vorabsprachen, Termine, Fotorechte) und mit Hilfe eines Gesprächsleitfadens führen (Aufnahmetechnik, Verfassung des Zeitzeugen, angenehmer Rahmen).
Die Situation während des Zeitzeugengesprächs
Das Ergebnis Eures Zeitzeugengesprächs hängt vom Zusammenspiel von Interviewenden und Interviewten ab, Ihr wählt die Fragen und deren Reihenfolge aus, Ihr konzentriert Euch auf bestimmte Lebensabschnitte, Ihr seid für eine gute Atmosphäre und den Verlauf verantwortlich. Ihr solltet offene Fragen stellen, auf geschlossene (ja/nein-Fragen) weitgehend verzichten, damit der/die ZeitzeugIn sie ausführlich, breit und selbstbestimmt beantworten kann.
Zeitzeugen möchten manchmal etwas ganz Bestimmtes erreichen, zum Beispiel zeigen, dass die „Zeit damals gar nicht so schlimm war“ oder sie „keine Täter waren“. Ihr müsst Euch klarmachen, dass das Erzählte entsprechend beeinflusst ist. Auf diese „Verzerrungen“ könnt Ihr während des Gesprächs einwirken.
Die Nachbereitung
Die Auswertung des Gesprächs in Eurer Arbeitsgruppe ist sehr wichtig. Reflektiert, wie Ihr Euch gefühlt und wie Ihr die Situation empfunden habt sowie was Euch bewegt hat. Ihr könnt in Eurer Gruppe die Ergebnisse diskutieren und die Inhalte vertiefen.
Hinsichtlich der Analyse und Projektdokumentation solltet Ihr Euch bewusst sein, dass zwei bis drei Zeitzeugeninterviews alleine nicht ausreichen, um allgemeingültige Aussagen zu erstellen, sondern dass mehrere Quellenarten herangezogen werden müssen.